Die Phantome des Ingenieur Berdach
Medienkritik und Satire: Gefälschte Wahrheit!
Im Februar 1908 berichtete ein Ingenieur Berdach aus der Wiener Glockengasse in einem Leserbrief an die Neue Freie Presse über seine jüngsten Erdbebenbeobachtungen und blamierte die Redaktion, als sich der Bericht als purer Unsinn entpuppte, bis auf die Knochen. Hinter der Maske des Ingenieur Berdach verbarg sich Karl Kraus.
Die Methode hat viele Nachfolger gefunden, Berdachs Erbe reicht von Arthur Schütz und Helmut Qualtinger bis zur Künstlerinnengruppe „Die Damen“, vom deutschen Schriftsteller Wolfgang Hildesheimer („Marbot“) bis zum amerikanischen Meisterhoaxer Alan Abel. Das Spiel wird in vielen Varianten gespielt, das Ziel, die satirische Unterwanderung eines Mediums und seiner Autorität, bleibt allerdings gleich.
In ihrem materialreichen und pointierten Essay skizzieren Claudia Geringer und Ernst Strouhal erstmals die Geschichte und Gegenwart der medienkritischen Dichtung.
„Am 22. Februar 1908 erschien in der Neuen Freien Presse auf Seite 11 ein Leserbrief, in dem aus der Glockengasse 17 Mitteilung an die Redaktion erstattet wurde. Ein Zivilingenieur J. Berdach berichtete darin wie einige andere Leser von seiner Erdbebenbeobachtung drei Tage zuvor. Just als er gerade „Ihr hochgeschätztes Blatt“ las, verspürte Berdach plötzlich ein Zittern in der Hand: „Da mir diese Erscheinung von meinem langjährigen Aufenthalt in Bolivia, dem bekannten Erdbebenherd, nur zu vertraut war“, schreibt Berdach, „eilte ich sogleich zu der Bussole, die ich seit jenen Tagen in meinem Hause habe. Meine Ahnung bestätigte sich, aber in einer Weise, die von meinen Beobachtungen seismischer Tatsachen in Bolivia durchaus abwich. Während ich nämlich sonst ein Abschwenken der Nadel nach Westsüdwest wahrnehmen konnte, war diesmal in unzweideutiger Weise eine Tendenz nach Südsüdost feststellbar.“
Claudia Geringer, Ernst Strouhal
Die Phantome des Ingenieur Berdach
Medienkritik und Dichtung
138 Seiten, vierfarbig
Softcover mit Fadenheftung
Format 14,5 cm × 22 cm
Preis € 24,00
ISBN 978-3-902968-88-3
Auch als E-Book erhältlich
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